Neuem Antisemitismus mit aller Kraft entgegentreten

PRESSESTIMME
Anlass: 35. Stiftungsfest
Artikel in der: BZ vom  27.01.2020

Beim 35. Stiftungsfest des Pädagogisch-Kulturellen-Centrums dominierte das Thema Juden- und Fremdenhass.

Judenfeindliche Vorurteile scheinen wieder in der Mitte der deutschen Gesellschaft angekommen zu sein. Studien des Innenministeriums, der TU Berlin oder des Bundesamtes für Verfassungsschutz zeigen, dass in den vergangenen zehn Jahren die Hemmschwelle, sich juden- und israelfeindlich zu äußern, signifikant gesunken ist. Gerade Verbal-Antisemitismus trifft immer häufiger auf Gleichgültigkeit oder sogar Akzeptanz. Der Angriff auf die Synagoge in Halle und Übergriffe auf Kippa tragende Männer durch Muslime in Berlin sind lediglich die bekanntesten von mehr als 1000 juden- und fremdenfeindlichen Straftaten eines Kalenderjahres. Die aktuellen Entwicklungen in Deutschland bestimmten denn auch thematisch das 35. Stiftungsfest des Pädagogisch-Kulturellen Centrums PKC Freudental am Sonntag.

Kampf gegen Populismus

In seiner Begrüßung der etwa 150 geladenen Mitglieder und Freunde des PKC sagte der Vorsitzende des Vereins Herbert Pötzsch: Der knapp 250 Jahre alte Synagogenkomplex nehme nach seiner Sanierung und Einweihung im Jahr 1985 seit nunmehr 35 Jahren eine wichtige Funktion im Kampf gegen Populismus und Hass ein. Zudem sei das PKC ein würdiger Ort des Gedenkens, des kollektiven Gewissens, des Lernens, aber auch ein Ort des Dialogs und der Begegnung. „Noch nie war das PKC wichtiger als heute“, rief Pötzsch den Anwesenden zu. In Zeiten, in denen „wieder gehetzt und gemobbt“ würde, müsse sich jeder Einzelne seiner Verantwortung für den Fortbestand von Demokratie und Freiheit bewusst werden, mahnt er. Es gelte, die Vergangenheit zu kennen, die Gegenwart bewusst zu leben und die Zukunft verantwortlich mitzugestalten.

Der neue Landrat und zweite Vorsitzende des PKC, Dietmar Allgaier, sprach über den unverzichtbaren Beitrag der Einrichtung gegen Antisemitismus im Landkreis Ludwigsburg. Er sei stolz, eine so wichtige und wertvolle Einrichtung hier zu haben. Allgaier hob hervor, wie tiefenwirksam die lebendigen Schüleraustausche zwischen vier Schulen im Raum (bald fünf) und ihren israelischen Partnerschulen in Nordgaliläa seien. Denn schließlich würden demokratische Einstellungen, Toleranz und kritisches Denken und Hinterfragen im Kindes- und Jugendalter angelegt. Der Landrat erinnerte an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 75 Jahren. Er nannte das Internet eine Plattform des wachsenden Hasses, der bereits in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen sei, und rief dazu auf, neuem Juden- und Fremdenhass mit aller Kraft entgegenzutreten. Allgaier versprach, wie sein Vorgänger, Dr. Rainer Haas, das PKC nach Kräften zu unterstützen. Als Einweihungstermin der Erweiterungsbauten, die kurz vor ihrer Fertigstellung stünden und künftig noch mehr Menschen aufnehmen könnten, nannte er Juli 2020.

Die Festrede beim 35. Stiftungsfest hielt in diesem Jahr der Leitende Oberstaatsanwalt und künftige Bundesverfassungsrichter Jens Rommel. Als Chef der in Ludwigsburg beheimateten „Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ sprach er in seinen Betrachtungen zur „Geschichte vor Gericht?“ über den juristischen Umgang mit Verbrechen der Nazizeit. Er ging in seinem Vortrag auf die immensen juristischen Probleme bei der Aufarbeitung ein, sprach im Zusammenhang mit den Kriegsverbrechen zwischen 1933 und 1945 gleichzeitig von der Leistung und vom Versagen der Justiz. Die Akten würden vermutlich bald geschlossen, da Verfahren nur gegen lebende Beschuldigte geführt würden. Die Bedeutung der juristischen Aufarbeitung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Dritten Reich liege vor allem im Verstehen und Vermitteln an nachfolgende Generationen, weniger in den insgesamt etwa 7000 Verurteilungen.

Autor:  Dietmar Bastian
Foto: Helmut Pangerl

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