Unverzichtbarer Beitrag gegen Antisemitismus

PRESSESTIMME
Anlass: 35. Stiftungsfest
Artikel in der: LKZ vom  28.01.2020

Beim 35. Stiftungsfest des Pädagogisch-Kulturellen Centrums Freudental unterstrich der neue Landrat Dietmar Allgaier die Bedeutung des PKC. Die Festrede hielt Jens Rommel, Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen.

Freudental. In Zeiten wachsenden und immer deutlicher werdenden Antisemitismus ist eine Institution wie das Pädagogisch-Kulturelle Centrum Freudental von großem Wert für die Demokratie. Dies unterstrichen die Redner beim Stiftungsfest des PKC am Sonntagnachmittag. Landrat Dietmar Allgaier lobte in Anwesenheit seines Amtsvorgängers Dr. Rainer Haas den unverzichtbaren Beitrag gegen Antisemitismus im Landkreis. „Ich bin stolz, dass es eine so wichtige und wertvolle Einrichtung zur Förderung von Demokratie und Toleranz bei uns im Kreis gibt“, so Allgaier weiter. Als zweiter Vorsitzender des PKC hob er zudem die zahlreichen Verbindungen der Institution zum Landkreis hervor. Speziell die Schüleraustausche mit israelischen Partnerschulen im Landkreis Oberes Galiläa, die das PKC organisiere, seien sehr lebendig, sagte Allgaier vor den rund 150 Gästen.

Herbert Pötzsch, Vorsitzender des PKC, erinnerte an die Anfänge. „Vor rund 40 Jahren war dieses Gebäude eine Ruine.“ Dank der Hilfe von Privatpersonen konnte am 15. Januar 1985 dann das PKC eröffnet werden. Pötzsch wies zudem darauf hin, dass am 5. Juli der vom Landkreis getragene Anbau eingeweiht wird. Visuell flankiert wurde die Veranstaltung von abstrakten Gemälden der Künstlerin Gudrun Rembor. Ein Kunstwerk, das die Aussparung am Toraschrein füllt, soll durch Spenden erworben werden. Zudem untermalte das Jugendbläserquintett mit Cara Megnin (Oboe), Elisa Schenk (Querflöte), Lilli Vogelmann (Fagott), Amelie Warnecke (Klarinette) und Gernot Horn (Horn) die Vorträge mit Stücken von Giulio Briccaldi, August Klughardt und Jacques Ibert.

Die Festrede hielt Jens Rommel. Er ist Oberstaatsanwalt und seit 2015 Leiter der in Ludwigsburg beheimateten Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen. In seinem Vortrag „Geschichte vor Gericht“ berichtete er vom Umgang mit nationalsozialistischen Verbrechen in der Bundesrepublik von 1960 bis heute. Leider sei es so, dass Opfer wie Täter langsam wegsterben. Die ersten Anklagen wurden bei den Nürnberger Prozessen 1945 und 1946 erhoben, damals noch von den Westalliierten. Die junge BRD wollte keine Sondermittel für Verbrechen der NS-Zeit einführen. „So verjährten bereits 1960 alle Straftatbestände, außer Mord und Beihilfe“, sagte Rommel. Es konnten nur rund 17.000 der rund 170.000 Verdächtigten verurteilt werden. Um diese relativ lasche Strafverfolgung zu verändern, sei die Schaffung der Zentralen Stelle wichtig gewesen. Dort werden Indizien gesammelt und daraus resultierend können mögliche Verbrecher des Dritten Reiches zur Rechenschaft gezogen werden. Die Arbeit liegt dann bei der regional zuständigen Staatsanwaltschaft. Sie muss entscheiden, ob sie es mit Befehlsempfängern oder höherem Personal zu tun hat. „Danach richtet sich das Strafmaß“, so Rommel. Es könne also vorkommen, dass Leute, die händisch an vielen Morden beteiligt waren, oft mit recht milder Strafe davonkämen.

Es bleibe die schwierige Frage, ab welchem Moment der Einzelne voll verantwortlich ist, wenn er in einem politischen System nur Anordnungen ausgeführt hat. Positiv sei, dass in jüngster Zeit Täter Geständnisse ablegten. Nur dann könne das volle Instrumentarium der heutigen Justiz angewendet werden.

Autor: Tobias Bumm
Foto: Alfred Drossel

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