Hundertwasser in Plochingen
Bericht von der Tagesexkursion mit Dr. Joachim Hahn
Am Sonntag, den 22. Oktober 2023, einem wunderschönen Herbsttag, fand die Exkursion zur Kunst von Friedensreich Hundertwasser in die kleine Stadt Plochingen am Neckar und an der Fils statt. Unser Referent, Pfarrer, Stadt- und Kreisrat Dr. Joachim Hahn, erwartete uns bereits am Jugendstil-Bahnhof – welcher der größte im Landkreis Esslingen ist.
On October 22nd 2023, the excursion to the art of Friedensreich Hundertwasser took place in the small town of Plochingen am Neckar and on the Fils. Our speaker, pastor, city and district councilor Dr. Joachim Hahn was already waiting for us at the Art Nouveau train station. For centuries, the small town lived from viticulture. Our walk through Plochingen first led to the Dettinger Cultural Park. Immediately afterwards, you could get a first glimpse of the rain tower of the „Hundertwasserhaus“. We learned how the artist melt his sad family history – more then 50 relatives were murdered by the Nazis – with his art by adding the „blood tears“ to all his artworks. The „Hundertwasserhaus“ is the very well-known landmark of Plochingen, which most people only know from driving past…
Jahrhundertelang lebte die kleine Ortschaft vom Weinbau, große Klöster wie z.B. das Kloster Roggenburg bei Ulm haben ihren Wein hierher bezogen, heute jedoch sieht man an den Hängen des Neckars nur noch die Baumwipfel des Schurwalds. Plochingen gehörte später teils zum Katharinenspital Esslingen, teils zur Abtei St. Blasien und wuchs mit der Schiffbarmachung des unteren Neckars bis zum Plochinger Hafen und mit dem Ausbau der Eisenbahn zu einem wichtigen Knotenpunkt und Industriestandort.
Eine internationale Nord-Süd-Postkutschenverbindung von Mechelen in Belgien nach Venedig in Italien ging allerdings schon seit altersher durch Plochingen, denn der Ort lag verkehrsgünstig zwischen den Reichsstädten Esslingen, wo der Neckar gequert wurde, und Ulm an der Donau.
Unser Fussweg durch Plochingen führte zunächst in den Kulturpark Dettinger, wo schon vor mehr als 30 Jahren ein Freiraum für Künstlerinnen und Künstler entstanden ist, und von dort an der Fabrikantenvilla vorbei – letztere wird von einem kleinen Drachen bewacht.
Gleich darauf konnte man aus der Straße des Weinheiligen Urban einen ersten Blick bis zum Regenturm des Hundertwasserhauses erhaschen. Dieser ist das Wahrzeichen Plochingens, welches die meisten Menschen nur vom Vorbeifahren kennen…
Plochingen hat jedoch noch mehr Kunst zu bieten, z.B. warten die acht Figuren der „Sabrina“ von Wolfgang Thiel in unterschiedlichen Farben an unterschiedlichen Orten auf die Besucher, haben es jedoch manchmal auch schwer, ihre Reize wirklich auszuspielen…
Vor der Ottilienkapelle trafen wir den mittelalterlichen Plochinger Stadtherrn Bischof Marquardt von Randeck, der den Plochingern zu Beginn des 14. Jahrhunderts einerseits die Freskenbemalung der Ottilienkapelle und andererseits Ländereien und Handelsrechte schenkte. Unsere jüngste Teilnehmerin entziffert soeben seinen Namen…
Im Sitzungssaal des Alten Rathauses hörten wir den spannenden Vortrag über die „Tränen des Künstlers“, bei dem es insbesondere um die jüdische Herkunft des als Friedrich Stowasser geborenen Künstlers ging, um sein Erleben der Nazi-Diktatur und um die vielen in den Konzentrationslagern ermordeten Mitglieder seiner Familie. Wenn man diesen Hintergrund kennt, dann werden die vielen roten Linien und Tropfen in Hundertwassers Werken (auch in Plochingen) als Blutstränen verständlich, mit welchen er seiner tiefen Trauer Ausdruck verleiht.
Nun ging es zum Hundertwasserhaus, welches von zwei Seiten zugänglich ist, jedoch nur am Rande. Da es ein ganz normales Wohnhaus ist, werden die Führungen vor Ort auf ein Minimum beschränkt. Der Innenhof ist dadurch ein fast meditativer, ruhiger Ort, abgeschottet von der direkt unterhalb vorbeiführenden Straße und der Bahnlinie.
Nach dem leckeren Mittagessen im Waldhorn schlenderte die Gruppe noch hinüber auf den Bruckenwasen, welcher vor 25 Jahren die Landesgartenschau aufgenommen hatte und seitdem ein beliebtes Naherholungsgebiet geworden ist. Vielen Dank an Dr. Joachim Hahn für den fundierten Vortrag und die vielen unterschiedlichen Eindrücke von Kunst, Kultur und Geschichte in „seinem“ Plochingen!