Tiefe Einblicke in jüdisches Leben
PH-Kompaktseminar in Freudental und Remseck-Hochberg
Vom 17. bis 20. Februar 2025 fand das PH-Kompaktseminar „Jüdisches Leben im Landkreis Ludwigsburg“ statt – vier intensive Tage voller spannender Einblicke, Begegnungen und neuer Erkenntnisse. Elf Studierende und ein engagierter Freiwilliger nahmen an dem Seminar teil und erkundeten bedeutende Orte jüdischer Geschichte in Freudental und Remseck-Hochberg.
Der erste Tag begann in Freudental mit dem Kennenlernen der Gruppe. Schon der Einstieg ließ die Teilnehmer tief in die Geschichte eintauchen: Bei dem Theaterspaziergang „Der letzte Schammes“ mit Michael Volz, der in die Rolle des Synagogendieners Sigmund Lasar schlüpfte, wurde auf eindrucksvolle Weise das Leben und Wirken jüdischer Gemeinden vor Ort lebendig. Die Teilnehmer tauchten ein in das Jahr 1934 und lernten besondere Personen, bedeutsame Gebäude und Gegenstände sowie die jüdische Hochzeit genauer kennen. Für Abwechslung im Seminarverlauf sorgte Michael Volz mit kleinen Jonglier-Übungen – ein unterhaltsamer Ausgleich, der für gute Stimmung und neue Energie sorgte.
Ein besonderes Highlight war die Führung mit dem Freiwilligen Felix Kräutl durch die Genisa – den verborgenen Speicherraum für ausgediente religiöse Texte und Gegenstände. Engagiert erklärte Felix nicht nur die Bedeutung der Genisa, sondern in einem kleinen Spaziergang auch die Geschichte des jüdischen Friedhofs in Freudental und zeigte dort die Besonderheiten. Der Tag endete mit einer Fragerunde zu allgemeinen Aspekten des Judentums in der ehemaligen Synagoge.
Der zweite Seminartag begann in Remseck-Hochberg mit einem Besuch der dortigen ehemaligen Synagoge. Kai Buschmann vom Verein Beth Shalom führte die Gruppe durch den Tag und vermittelte spannende Einblicke in die Geschichte und Besonderheiten des Gebäudes, welches auch über 100 Jahre als methodistische Kirche genutzt wurde. Seit kurzem werden auch die Funde aus der im Dachboden aufgefundenen Genisa dort ausgestellt. Im Anschluss führte er die Teilnehmenden zum jüdischen Friedhof, wo sie mehr über die dort bestatteten Mitglieder der ehemaligen jüdischen Gemeinde erfuhren. Nach einem gemeinsamen Mittagessen ging es weiter mit einem Ortsrundgang durch Hochberg. Dabei erkundete die Gruppe Spuren jüdischen Lebens im Ort: Es gab noch eine Mesuakerbe zu entdecken und das jüdische Gasthaus Rose, wo auch Zimmer für arme durchreisende Juden vorgehalten wurden, die hier am Schabbat aufgenommen werden konnten.

Zum Abschluss des Tages hatten die Teilnehmenden Zeit, Fotos zu machen, eigene Recherchen anzustellen und offene Fragen zu klären – eine gute Gelegenheit, um die Eindrücke zu vertiefen und Materialien für die spätere Arbeit an den Wikipedia-Artikeln zu sammeln.
Am dritten Tag kehrte die Gruppe nach Freudental zurück, um die Eindrücke der vergangenen Tage aufzuarbeiten und die Wikipedia-Artikel zu erstellen. Die drei erfahrenen Wikipedianer Rudolf Simon, Rolf Acker und Stefan Kampf standen der Gruppe tatkräftig zur Seite. Sie erklärten den Teilnehmerinnen alles Wichtige zur Erstellung und Bearbeitung von Artikeln, gaben wertvolle Tipps zur Recherche und halfen beim Verfassen der Beiträge. Nach dem Mittagessen arbeiteten die Studierenden intensiv an eigenen Artikeln und fügten die während der Exkursion aufgenommenen Fotos ein, um das jüdische Erbe in Remseck-Hochberg auch online sichtbar zu machen. An diesem Tag wurden wir auch von einer Redakteurin der Ludwigsburger Kreiszeitung besucht, hier ist der Link zum LKZ-Artikel.
Alle Artikel und Artikelergänzungen wurden am vierten Tag online gestellt. Die Ergebnisse des Kompaktseminars sind als fertige Artikel und als Arbeitsdokumente abgelegt auf Wikipedia. Am späteren Nachmittag haben wir Stephanie Schulik begrüßt, die als Kriminalbeamtin in der Task Force gegen Hass und Hetze im Netz tätig ist. In ihrem Vortrag ging sie auf die zunehmende Verbreitung von Hassrede im Internet ein und erläuterte deren weitreichende Auswirkungen. Laut der JIM-Studie 2022 haben 75 % der Jugendlichen bereits Hate Speech online wahrgenommen, mehr als die Hälfte war selbst betroffen. Besonders gefährdet sind Menschen mit Migrationshintergrund, junge Frauen sowie Personen der LGBTQ+ Community.
Ein Schwerpunkt ihres Vortrags war die Arbeit der Task Force gegen Hasskriminalität, die seit Mai 2021 auf Initiative der Landesregierung Baden-Württemberg tätig ist. Diese spezialisierte Einheit vernetzt sich mit Polizei und anderen Institutionen, um Hass im Netz effektiv zu bekämpfen, Straftaten zu verfolgen und Medienkompetenz in der Gesellschaft zu stärken. Die Kriminalbeamtin informierte die Teilnehmenden über ihre Handlungsmöglichkeiten: Ignorieren und Blockieren seien erste Schritte, doch auch Gegenrede und aktive Unterstützung Betroffener seien wichtig. Niemand muss alleine damit fertig werden, betonte sie und nannte als Beispiel auch die Hilfeseite „Initiative Toleranz im Netz“ von der Polizei. Der Besuch bot wertvolle Einblicke in ein hochaktuelles Thema und rundete das Kompaktseminar auf eindrucksvolle Weise ab.
Das Seminar „Jüdisches Leben im Landkreis Ludwigsburg“ bot nicht nur tiefgehende historische Einblicke, sondern auch persönliche Begegnungen mit Orten jüdischen Lebens. Die Mischung aus Theaterspaziergängen, spannenden Führungen bzw. Vorträgen und der aktiven Recherchearbeit machte die Tage für alle Beteiligten zu einer bereichernden Erfahrung.