Masál tov! Jüdische Feste im Jahreskreis

Ein sehr gelungener Begegnungs- und Vermittlungsabend im PKC!

In Kooperation mit den Religionsgemeinschaften der Stadt Sachsenheim und der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs haben wir vor großem Publikum einen feinen Austauschabend der Reihe „Weißt Du, wer ich bin?“ in der ehemaligen Synagoge Freudental gestaltet. Bei einem leckeren Abendimbiss (Berches, Gebäck, Saft und Wein) ging es um die Begegnung mit den Nachbarn und ums Kennenlernen einer anderen Religion, des Judentums.

Die beiden Referenten Shushan Pushkin, Student der Archäologie und der jüdischen Studien aus Heidelberg, und Tobias Christ, Künstler und Kalligraph aus Stuttgart, haben kenntnisreich und fesselnd die jüdischen Feste vorgestellt und viele Fragen aus der Zuhörerschaft beantwortet.

Konkret wurden die folgenden Feste von Shushan Pushkin vorgestellt, immer wieder unterbrochen von spannenden Geschichten und kabbalistischen Hinweisen durch Tobias Christ:
1. Pessach („Überschreiten“), mit dem das landwirtschaftliche Jahr beginnt. Die Mazzen, die ungesäuerten Brote, die man (auch heute noch) in Eile bäckt, wurden bei der Flucht aus Ägypten gegessen und spielen auch beim Pessachfest heute eine wichtige Rolle. Das Publikum bekam gleich koschere Mazzen verteilt. Dazu eine Liebesgeschichte vom König Salomo erzählt, der seinen Ring verlor und als einfacher Koch trotzdem mit einer Prinzessin leben durfte, weil sie mit ihm „durchbrannte“. Es ging dabei ums Verlassen von etwas, um etwas Wichtigeres zu behalten…

Tobias Christ erzählte fesselnde Geschichten!

2. Schawuot, das Wochenfest, denn es liegt sieben Wochen nach Pessach und ist zusammen mit diesem und Sukkot ein Wallfahrtsfest, bei dem man früher, zur Zeit des Tempels, nach Jerusalem gepilgert ist. Heute steht der Tempel nicht mehr, deshalb finden auch keine Wallfahrten mehr statt. Gefeiert wird hier die Gabe der Tora.
3. Rosch Haschana, der „Kopf des Jahres“, hier beginnt das neue gezählte Jahr. Nach jüdischer Zählung befinden wir uns im Jahr 5785 nach der Schöpfung. Wichtig ist, an diesem Tag den Klang des Schofars zu hören.
4. Jom Kippur, der Versöhnungstag, ist eigentlich der Schabbat schabbaton, der höchste der Feiertage. An diesem Tag soll man beten und fasten, also „immateriell sein wie ein Engel“, um sich seiner Verfehlungen Gott gegenüber und den Mitmenschen gegenüber bewusst zu werden.
5. Sukkot nennt man das Laubhüttenfest. Man soll darin möglichst viel Zeit verbringen und es ist einerseits ein schönes Gefühl, mit vielen gemeinsam betend und spielend unter einem Dach zu sitzen, durch welches man die Sterne sieht – andererseits ist man auch dem Wetter ausgeliefert und nicht in einem festen Haus, weiß also nicht genau, was morgen wohl kommt. Die religiöse Pflicht ist es, einen Lulav zu schwenken mit den Arba Minim, den vier unterschiedlichen Früchten, das sind Dattelpalme (wegen des Geschmacks), Myrte (wegen des Geruchs), die Zitronatzitrone Etrog (wegen ihres Geschmacks und wegen ihres Geruchs) und die Bachweide (welche weder das eine noch das andere besitzt). So ist es mit der Vielfalt des jüdischen Volkes.
6. Chanukka, das Lichterfest, ist eigentlich ein „nationales Befreiungsfest“, denn es erinnert an die Rückeroberung des Jerusalemer Tempels. Dabei geschah ein Ölwunder, denn die aufgefundene Menge an koscherem Olivenöl, die unter normalen Umständen nur einen Tag gebrannt hätte, reichte für acht Tage! Man isst viele ölige Speisen wie Latkes (Kartoffelpuffer) oder Suvganiot (Berliner), die Kinder spielen das Dreidelspiel. Auf dem Dreidel, einem Kreiselwürfel, stehen die vier hebräischen Buchstaben Nun, Gimel, He, Schin, die für „Nes Gadol Haja Scham“ – „Ein großes Wunder geschieht dort“ stehen. Dazu passte die Geschichte, dass Noah nach der großen Flut erst einen Raben und dann eine Taube aussandte, die mit einem Ölzweig zurückkehrte. Von den zwei Oliven daran stellte Noah ein Öl her, dass sich wegen seiner vielen Aufgaben nach der Flut verlor – und eben beim ersten Chanukka vom Hohenpriester im zurückeroberten Tempel aufgefunden wurde…

Shushan Pushkin erläuterte Tora und Kommentarspalten.

7. Tu Bischwat – das Neujahr der Bäume, markiert einen weiteren Jahresanfang, nämlich den der Natur. In Israel beginnt zu diesem Zeitpunkt im Frühjahr die neue Blüte. Das Fest ist heute wichtiger, denn es stellt einen Bezug zur Natur und zur Bewahrung der Schöpfung her.
8. Purim, das bedeutet „Lose“. Bei diesem Fest verkleiden sich die Kinder gern, denn es gibt in der Esther-Rolle eine schöne und mutige Prinzessin, einen richtig bösen Wesir, den Haman, der die Juden in Persien ausrotten will und noch die eine oder andere Nebenrolle. In der Synagoge wird während des Vorlesens des Buchs Esther immer wieder laut „Krach geschlagen“, nämlich immer wenn Haman erwähnt wird. Im Hebräischen sagt man „Jimach schemoi“, sein Name möge ausgelöscht werden so wie ein Tora-Schreiber einen Fehler vom Pergament kunstvoll und rückstandsfrei wieder herauskratzen kann. Auf Nachfrage wurde klargestellt, dass Gott die ganze Geschichte bestimmt, selbst wenn es durch die Hilfe der namensgebenden („zufällig“ fallenden) Lose geschieht. Daran erinnert man sich beim Fest Purim.

Beeindruckt von dieser intensiven Innensicht in das Judentum applaudierte das Publikum den beiden Referenten. Viele nutzten auch die Pausenzeiten, um noch weitere Fragen zu stellen. Im Gästebuch bedankten sich die Besucherinnen und Besucher für einen sehr gelungenen und schönen Abend!

Viola Krasniqi vom PKC hatte Berches, Gemüsesticks, Hummus, Tahini und köstliches Blätterteiggebäck für das Publikum vorbereitet.