Religiöse Konflikte und wirtschaftliche Interessen
Das jüdisch-christliche Zusammenleben in Freudental im 18. Jahrhundert – Zusammenfassung eines Vortrags von Prof. Dr. Martin Jung
Freudental bildet eine Besonderheit in Württemberg, wo Juden offiziell nicht zugelassen sind. Historisch wurden sie aus dem Land verbannt, doch in einigen Orten – darunter Freudental – wurden sie aus wirtschaftlichen Interessen geduldet. Der Ort erhielt 1723 erstmals eine jüdische Niederlassungserlaubnis, und die jüdische Bevölkerung wuchs in den folgenden Jahrzehnten stetig, was zu Konflikten mit der Kirche führte.
Am Sonntag, den 7. März 1756, herrscht in Freudental reges Treiben: Die jüdischen Händler haben ihre Läden geöffnet und verkaufen Waren an zahlreiche christliche Kunden aus umliegenden Orten. Dies sorgt für eine lebendige Atmosphäre, die jedoch dem örtlichen Pfarrer Johann Georg Schütz missfällt. Wenige Tage später verfasst er eine Beschwerde an die Kirchenleitung, in der er die Sonntagsöffnungen der jüdischen Händler sowie deren öffentliches Treiben als „gräuliche Unordnung“ kritisiert und göttliche Strafen befürchtet. Seine Eingabe bleibt jedoch ohne Konsequenzen.
Der Pfarrer Schütz beklagt insbesondere die „Entheiligung“ des Sonntags durch jüdische Geschäftsaktivitäten und Freizeitbeschäftigungen, was seiner Meinung nach die christliche Andacht störe. Doch das jüdische Sonntagsgeschäft bleibt beliebt bei Christen aus der Umgebung, und die Beschwerden des Pfarrers verpuffen. Der Text gibt einen Einblick in das jüdisch-christliche Zusammenleben im 18. Jahrhundert und zeigt, wie wirtschaftliche Interessen oft über religiöse Vorschriften gestellt wurden.
In Freudental gab es im 18. Jahrhundert sogenannte Sabbatmägde – christliche Frauen, die jüdische Haushalte am Schabbat und an jüdischen Feiertagen unterstützten. Sie übernahmen Arbeiten wie Feuer machen, Wasser holen oder Melken, um den jüdischen Familien zu helfen, das Arbeitsverbot an diesen Tagen einzuhalten. Dies wurde von vielen Frauen als zusätzliche Einkommensquelle genutzt. Ein anderer Pfarrer, Johann Georg Boxhammer, kritisierte diesen Dienst in einer Beschwerde von 1751. Seine Hauptargumente waren:
- Christen sollten keine jüdischen Haushalte bedienen, da dies die göttliche Ordnung verkehre.
- Die Frauen würden durch ihre Arbeit vom christlichen Gottesdienstbesuch abgehalten.
- Sie seien gezwungen, jüdische „Lästerungen“ gegen Christus und das Christentum zu hören.
Obwohl er predigte und mit dem Ausschluss vom Abendmahl drohte, änderten die Frauen ihr Verhalten nicht. Nach einem Untersuchungsverfahren wurde die Angelegenheit schließlich nicht weiter verfolgt, da der Pfarrer im August 1751 starb.
Weitere Konflikte in Freudental betrafen jüdische Beerdigungen am Sonntag sowie die vermeintliche Verhöhnung des Christentums durch einen verkleideten jüdischen Knecht. Zudem kamen im 18. Jahrhundert pietistische Missionare aus Halle an der Saale nach Freudental, um mit großem Aufwand Juden zum Christentum zu bekehren. Sie führten sogar Gespräche in Jiddisch, verteilten christliche Literatur und besuchten Synagogen. Ihr Erfolg war jedoch minimal, da kaum Juden zum Christentum übertraten.
Den komplett transkribierten Vortrag können Sie hier nachlesen: