Ein Stück Geschichte hautnah erleben
Bericht aus der 9a unserer Kooperationsschule Ottmar-Mergenthaler-Realschule Vaihingen-Kleinglattbach
In jedem Frühjahr kommen die 9. Klassen unserer Kooperationsschule, der OMRS aus Vaihingen, an den außerschulischen Lernort, den das Ensemble mit Synagoge und jüdischem Friedhof in Freudental darstellt. Hier veröffentlichen wir den Bericht, den Francesca und Tom anschließend an ihren Besuch Mitte März 2025 geschrieben haben:
„Ein Stück Geschichte durften wir bei unserem Besuch am 18.03.2025 in der ehemaligen Synagoge in Freudental hautnah erleben. Dort erhielten wir spannende Einblicke in das jüdische Leben und die Ereignisse während der NS-Zeit. Um 8 Uhr trafen wir uns am Bahnhof in Vaihingen und fuhren mit dem Bus zunächst nach Hohenhaslach und anschließend weiter nach Freudental. Dort angekommen, betraten wir die ehemalige Synagoge. Es war spürbar, dass dieser Raum einst voller Leben war. Am Anfang unseres Besuches sollten wir uns drei Fragen überlegen und diese dann stellen. Eine der Fragen betraf einen festlichen Tag oder Ruhetag der Juden. Dabei erfuhren wir, dass der Schabbat – der Samstag – der Ruhetag ist.
Interessant war die Erklärung zur Menora, einem siebenarmigen Leuchter, der im Judentum eine tiefere Bedeutung hat. Die Menora symbolisiert das Licht Gottes und wurde ursprünglich im Tempel von Jerusalem verwendet. In der Zeit des Nationalsozialismus hatten viele Juden jedoch Angst, die Chanukkia (den achtarmigen Leuchter, den man an Chanukka eigentlich in die Fenster stellt) öffentlich zu zeigen, da sie verraten hätte, dass die Hausbewohner jüdisch waren.
Zudem haben wir uns mit der Bilderreihe ,,The Last Summer“ beschäftigt. Die Fotos zeigen jüdische Menschen in alltäglichen Situationen: bei der Arbeit, im Kreis der Familie oder entspannt vor der Kamera. Nichts an ihrem Aussehen verrät ihre Religion. Genau das wurde uns durch die Frage deutlich: „Könnt ihr erkennen, wer jüdisch ist?“ Wir merkten, dass man dies niemandem ansieht und dass kein Mensch anders ist, nur weil er einer bestimmten Religion angehört. Dies hat uns deutlich gemacht, wie grundlos und ungerecht die Ausgrenzung und Verfolgung jüdischer Menschen war.
Anschließend haben wir eine Übung gemacht, bei der wir Kärtchen mit Verboten und Einschränkungen jüdischer Menschen erhalten haben. Darauf standen alltägliche Dinge wie Sport treiben oder bestimmte Berufe ausüben -Dinge, die ihnen plötzlich nicht mehr erlaubt waren. Wir haben die Kärtchen im Kreis vorgelesen und Herr Volz hat uns etwas dazu erzählt.
Im weiteren Verlauf machten wir uns auf den Weg zum jüdischen Friedhof in Freudental. Auf dem Weg erwartete uns ein Theaterstück, das uns die damalige Zeit näherbrachte. Der Leiter für Pädagogik & Kultur schlüpfte in die Rolle von Sigmund Lasar, einem jüdischen Gemeindediener und nahm uns mit in einen Tag seines Lebens – den 16. April 1934. An diesem Tag war Sigmund Lasar 57 Jahre alt und berichtete von seinem 25. Dienstjubiläum, an dem er durch einen Artikel im israelitischen Wochenblatt gewürdigt wurde. Dabei erfuhren wir viel über jüdische Traditionen, wie die Trennung von Männern und Frauen während des Gottesdienst in der Synagoge, die Beschneidung von Jungen und den Ablauf einer jüdischen Hochzeit. Es wurde uns auch erklärt, dass Frauen sich nach ihrer Periode rituell reinigen mussten und dass Juden keine Tiere selbst töten durften, sondern ein speziell ausgebildeter Schächter diese Aufgabe übernahm.

Besonders eindrucksvoll war, wie wir beim Theaterspaziergang in jeder Szene einbezogen wurden. Michael Volz wählte aus unserer Gruppe jemanden aus, der als Gesprächspartner diente und einen symbolischen Gegenstand in die Hand bekam. Dies half uns, die damalige Ereignisse und Bräuche besser zu verstehen.
Nach dieser eindrucksvollen Darbietung ging es weiter zum jüdischen Friedhof. Dort mussten die Jungen eine Mütze tragen – ein Zeichen des Respekts. Die ,,Kippa“ ist eine traditionelle Kopfbedeckung im Judentum und ein wichtiges Symbol der Achtung vor Gott. Sie erinnert den Träger daran, dass es über ihm eine höhere Macht gibt. Besonders an heiligen Orten wie einem Friedhof wird durch das Tragen der ,,Kippa“ die Wertschätzung gegenüber den Verstorbenen und deren Glauben zum Ausdruck gebracht. Jeder von uns bekam einen kleinen Stein, den wir auf einem ausgewählten Grabstein legen durften. Im Judentum ist es üblich, statt Blumen einen Stein auf das Grab zu legen. Dieser Brauch symbolisiert Erinnerung und Verbundenheit mit den Verstorbenen. Der Stein zeigt, dass jemand am Grab war, um der Person zu gedenken.
Am Ende unseres Besuchs kehrten wir zur Synagoge zurück und tauschten uns in der Gruppe darüber aus, was uns am meisten beeindruckt hatte. Viele von uns sprachen darüber, wie überraschend ,,normal“ das Leben der jüdischen Jugendlichen auf den Bildern gewirkt hatte und wie unfassbar traurig es ist, dass sie diesen Alltag nicht weiterführen durften. Dieser Tag hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, sich an diese schlimme Zeit zu erinnern – nicht nur aus Geschichtsbüchern, sondern durch das Erleben und Verstehen echter Geschehnisse, sodass so etwas wie damals nie wieder geschieht und Menschen egal welcher Herkunft und Glaubens nie wieder aus unserer Gesellschaft ausgegrenzt und verfolgt werden.„