Jüdische Motive in Musik,
Literatur und Bildender Kunst
mit Babette Dorn (Klavier),
Prof. Karl-Josef Kuschel (Texte)
und Rudolf Kurz (Kunst und Fotos)

Ein würdiges Gedenken an die Pogromnacht, dargeboten in einem beeindruckenden Programm! Babette Dorn hatte wunderbare Klaviermusik ausgewählt und vorgespielt, Rudolf Kurz hatte mit der Kirchentür von Langenburg, mit seinem Denkmal für das Konzentrationslager Hailfingen/Tailfingen sowie mit den Bildern vom „Heiligen Sand“ in Worms die „Bilder an der Wand“ beigefügt und Karl-Josef Kuschel verband dies alles durch seine tiefgründigen Interpretationen. Hier sind einige Gedanken zusammengefasst.

Babette Dorn am Flügel
Die Flammenschrift
Der brennende Dornbusch markiert die Berufung des Mose im Buch Exodus; das Feuer zeigt die göttliche Präsenz an. Es ist gleichzeitig das Medium der Gottespräsenz und der Reinigung. Und so geht es auch den Menschen, die die Langenburger Kirche betreten – sie sollen erkennen, dass sie einen besonderen Schritt tun. Die hebräischen Buchstaben zeigen jedoch auch, dass sich die Christen daran erinnern sollen, dass ihr Gott auch der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ist.
Durch den Lichteinfall wird noch ein weiteres Zeichen sichtbar, das Menetekel, welches dem babylonischen König Belsatzar gezeigt wurde, nachdem dieser den Frevel begangen hatte, die Gefäße aus dem Jerusalemer Tempel für ein Weingelage zu missbrauchen. An dieser Stelle wurde die fesselnde Ballade von Heinrich Heine zitiert, unter anderem diese Verse:
… Jehova! Dir künd‘ ich auf ewig Hohn, –
Ich bin der König von Babylon!
Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward’s heimlich im Busen bang.
Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.
Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Da kam’s hervor wie Menschenhand;
Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

Flammenzeichen an der Wand
Ein Kaddisch heute
Im Winter 1944/1945 wurden 601 Häftlinge jüdischer Herkunft aus ganz Europa nach Hailfingen/Tailfingen gebracht, um den Nachtjägerflugplatz unter unsäglichen Arbeitsbedingungen auszubauen. 200 von ihnen fanden hier den Tod.
Das Mahnmal von Rudolf Kurz erinnert daran, indem die nackte Betonwand für die massenhafte Auslöschung steht und gleichzeitig 10.000 Aluminiumstäbe die Namen der Häftlinge aufzeigen, um sie dem Vergessen zu entreißen.

Mahnmal von Rudolf Kurz
in der KZ-Gedenkstätte Hailfingen/Tailfingen
Worms
Der „Heilige Sand“ und der Dom zu Worms haben für Martin Buber eine eigentümliche Verbindung. Der Dom ist „eine sichtbar gewordene Harmonie“ und der jüdische Friedhof besteht aus „schiefen, zerspellten, formlosen, richtungslosen Steinen“. Ihm ist, als sähe er von Israel zur Kirche auf. Aber dennoch ist ihm „nicht gekündigt worden“.
In Worms steht die älteste Synagoge auf deutschem Boden – sie stammt von 1034, hier lehrte mit Rabbi Salomon Ben Isaak der bekannteste jüdische Schriftgelehrte, genannt „Raschi“. Und der älteste Grabstein des jüdischen Friedhofs verweist ins Jahr 1058/59.

Jüdischer Friedhof und Wormser Dom
Der jüdische Friedhof mit seinem Gewirr steht dem Dom mit seiner Harmonie gegenüber. Durch die pure Existenz hält „Israel“ der Kirche den Spiegel einer unerlösten Welt vor. Gleichzeitig ist das jüdische Volk das von Gott auserwählte, das einzigartige und geliebte Volk! Diese Zusage gilt weiterhin – es heißt sogar abschließend „Aber gekündigt ist uns nicht“!
Kuschel liest in Bubers Text weiterhin, dass sowohl das Volk Israel als auch die Kirche ihr je eigenes unverwechselbares Gottesgeheimnis hat. Beide wissen sich gehalten von Gott.

Professor Karl-Josef Kuschel

